PUPPEN

„Eine wichtige Gruppe in Raibers Malerei der letzten Jahre sind die Puppen. Vor dunklen, zuweilen dröhnend kräftigen Gründen sitzen sie oder sind nur als Halbfiguren ansichtig. Überwiegend muten sie unbeweglich an, scheinen ganz vom Charakter der Gliederpuppen zu sein, die geduldig jede Bewegung an sich ausführen lassen und unfähig sind sich selbst zu regen. Zwei, drei, vier Figuren sind das, zuweilen in größeren Bilder, sehr fest, summarisch, kompakt angelegt.

Sie haben sich zugleich eingeprägt und man darf fragen, warum. Diese Figuren müssen einer Psychologie entsprochen haben, etwas duldsamen, einem gleichwohl stabilen Ausharren. Sie sind abgeneigt dem rebellischen, verlangen Empathie vielleicht wie ein Pinocchio, der seine Erstarrung verflucht und emotionale Anteilname selbstverständlich erhält. Wenn man allerdings von Raibers Plastiken aus auf die gemalten Puppen schaut, gewinnen letztgenannten an eigenem Leben. Es ist die gemeinsame Stille, die bei den Puppen aufmerksamer macht für die Psychologie einer Kopfwendung, für Anfänge von Mimik, für ein waches Auge. [...]

Als Bildhauer gibt Raiber seinen Schützlingen manchmal eins, zwei Details mit, die es leichter machen, sich mit ihnen anzufreunden. Wiederum ist es ein Detail der Mimik, eine kecke Nase [...]. Oder eine betonte Geste lässt eine Richtung erkennen, schwere Hände, Nägel lenken Gedanken und Emotionen [...]. Aber ebenso schnell wird auch die Grenze des Erzählen zugunsten eine poetischen Rätsels spürbar. Trotz feiner und freundlich-ironischer Anspielungen sind auch die Holzskulpturen Raibers sparsam in ihrer Information.“

 

Dr. Meinhard Michael

aus „Figur und Symbol-Über Jürgen Raiber“ Leipzig 2009

„Eine Puppe ist die menschlichste Spielfigur. Ihr Antlitz trägt meist typisierte Züge und mit diesen steht sie immer auch für eine bestimmte Spielkultur, mitunter auch für ein Lebensmodell. Mit einer Puppe kann man nahezu alles machen. In die Ecke gelehnt, scheint sie durch ihre geduldige Physiognomie ergeben zu warten – auf unsere Erinnerungen, unsere Spiellust oder unsere Sehnsucht. [...]

Eine Puppe kann man als Symbol für das inaktive, das Ausharrende, das sich benutzen Lassende deuten. Aber auch für Desillusionierung kann eine Puppe stehen, wird sie abgelegt, kündet das meist vom Ende der Spielzeit, vom Ende jener Kunst sich die Welt zu imaginieren und dieses Spiel mit wenigen Utensilien zu betreiben, um einerseits Erklärungsmodelle zu schaffen, andererseits die eigene Emotionalität auszudrücken und auszuleben. Jürgen Raibers Puppen, allein oder in Gruppen und mitunter nummeriert, berühren den Betrachter womöglich ambivalent: sind dies die in Sammlungen archivierten Puppen die keiner mehr benötigt? Oder sind sie Symbole für Anonymität, für Austauschbarkeit und damit vermisste Individualität?“

 

Susanne Hoch,

aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung „Querschnitt“ 2011

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